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Yasmina Reza: Die Rückseite des Lebens

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Édith Scaravetti hat ihren Mann mit einem Schuss in die Schläfe getötet. Sie arbeitet als Pflegerin, er hat sein Geld mit Drogendeals und Schwarzarbeit verdient. Nachdem sie ihren Mann getötet hat, versteckt sie die Leiche und fährt ihre Kinder zur Schule. Dann schleift sie den Körper in den hinteren Teil des Gartens und vergräbt ihn.

Eine Woche später meldet sie ihren Mann bei der Polizei als vermisst und behauptet, er sei ohne Telefon auf einen Italien-Trip aufgebrochen. Die Fliegen umschwirren das provisorische Grab; die Kinder werden darauf aufmerksam. Also gräbt Édith die Leiche wieder aus, schleppt sie auf den Speicher des Hauses, fertigt eine Betonverschalung im Garten an und begräbt ihren Mann erneut. Nach drei Monaten findet man den Toten bei einer Hausdurchsuchung.

Das ist nur einer der Prozesse, denen Yasmina Reza als Beobachterin beigewohnt hat, und sie schreibt darüber so sachlich und nüchtern, dass alles noch viel fürchterlicher wird, als es ohnehin schon ist. Diese grausame Komik beherrscht Reza. Für die Darstellung des Édith-Prozesses, der im März 2018 in Toulouse stattgefunden hat, braucht sie gerade einmal vier Seiten. Darin leuchtet sie die Biografie der Angeklagten aus, gibt Dialoge wieder. Hier erkennt Reza „Die Rückseite des Lebens“.

Rund 50 Kurztexte sind in diesem Buch gesammelt. Ein Teil davon besteht aus Rezas Miniatur-Gerichtsreportagen. Sie wechseln sich ab mit Beobachtungen im Alltag und persönlichen Erlebnissen im Familien- und Freundeskreis. Eine Sammlung von literarischen Skizzen, in denen sich auf engstem Raum das Tragische, Bösartige und Komische der Welt offenbaren.

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Autor/in
SWR