Buchkritik

Matthias Politycki – Mann gegen Mann

Stand

Von Autor/in Andreas Puff- Trojan

Matthias Politycki schreibt mit spitzer Feder. In seinem neuen Essay „Mann gegen Mann“ geht er der Frage nach, ob eine neue Männlichkeit gefragt sei. Dies im Angesicht von Gender-Debatten, virilen Politikern wie Putin und Trump und dem Ukraine-Krieg. Ist das Soldatische, das Männliche wieder ein Thema? Dieser Frage geht Politycki nach und beruft sich dabei auf Autoren wie Jorge Luis Borges und Ernest Hemingway.

Matthias Politycki ist ein Autor, der gerne gegen den Mainstream anschreibt. So auch in seinem neuen umfangreichen Essay „Mann gegen Mann. Von alten und von neuen Tugenden“. Er stellt schlicht die Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“, um den Refrain von Herbert Grönemeyers Kultlied „Männer“ aus den 1980er Jahren zu bemühen.

Politicky bewegt sich aber ganz in der Jetztzeit: Auf der einen Seite haben wir die Genderdebatten und LGBTQ-Manifestationen. Auf der anderen Seite betreten wieder echte Männer die Weltbühne: Wladimir Putin und Donald Trump. Die Europäische Union wiederum will enorm aufrüsten. Und in Deutschland wird neuerdings über die Wehrpflicht diskutiert. Das Soldatische, das Mannhafte ist plötzlich wieder ein Thema.  

Wann ist ein Mann ein Mann? 

Neue Männer braucht das Land, Verteidiger unserer Kultur und ihrer Werte. Oder besser: Menschen mit alten, traditionell den Männern zugeschriebenen Tugenden braucht das Land, welchen Geschlechts auch immer. Ja, wir brauchen Männer, die sich klassischer Rollenmuster erinnern und dennoch die neuen Interpretationen der Geschlechterrolle nicht preisgeben.

So ganz klar ist die Botschaft Politickys nicht: Will er alle Menschen, auch jene, die sich LGBTQ zugehörig fühlen, viril aufrichten? In einem Punkt muss man wohl – oder auch übel! – dem Autor Recht geben: Gender-Diskurse eignen sich wenig zur Verteidigung der Demokratie.

Was ist, wenn es dazu käme, dass man unser Land, Europa, also die westliche Wertegemeinschaft mit der Waffe beschützen müsste? Sind dann wieder die Männer am Zug? Und wenn ja – welche? Politicky umschifft in seinem Essay eine klare Antwort und sucht in der Literatur Verbündete. Es sind Jorge Luis Borges und Ernest Hemingway. Es geht um die Mannhaftigkeit der beiden Autoren. 

Borges, Hemingway und die Männer-Literatur 

Borges und Hemingway, so sah ich’s da plötzlich, das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Was die beiden verbindet, ist ihre lebenslange Sehnsucht nach einer archaischen Männlichkeit. 

Mit dieser archaischen Männlichkeit verbindet Politicky eine gewisse Ablehnung von Intellektualität. Gemeint ist das Zerreden von Sachverhalten, gemeint ist die von ihm gescholtene „Gelehrtenliteratur“.

Freilich – in der Politik wie in der Literatur kann alles und jedes ohne Ergebnis hin und her diskutiert werden. Doch gerade in schwierigen Zeiten der Weltpolitik sind intellektuell wache Geister bei diplomatischen Bemühungen gefragt. Scharfe Intellektualität ist weder männlich noch weiblich noch divers, sondern sexy. 

 

Von einer Sache ist der Autor fasziniert, so dass sie im Essay öfters besprochen wird: Der Messer- oder Schwertkampf, Mann gegen Mann. Ob bei Borges oder Hemingway oder gar in den mittelalterlichen Epen – die kleinen wie die großen Helden sind männlich. 

Anders als bei den Messerhelden, die nur für ihre eigenes Ego kämpfen, kämpfen die Krieger in einer Schlacht für ihr Vaterland, ihren König, ihren Anführer. Das ist sehr wohl eine Idee, eine ziemlich große sogar. 

Verteidigung der Werte der westlichen Welt 

Die Idee, für ein „Vaterland“ zu kämpfen, müsste man wohl heute um die Idee der Verteidigung der Werte der westlichen Welt erweitern. Aber egal. Kampf, Krieg sind nicht nur Ideen, sondern meinen ganz konkret: Leben und vielleicht Sterben auf dem Schlachtfeld. 

Am Ende seines Essays wünscht sich Politicky einen offenen Diskurs hinsichtlich einer „neuen, zeitgemäßen Männlichkeit“. Borges wie Hemingway sind dabei nicht unbedingt überzeugende Argumentgeber.

Der Autor hat aber ohne Zweifel den Finger in eine Wunde unserer Gesellschaft gelegt. Wer von uns – egal ob Mann, Frau oder Divers – wäre bereit, demokratische Werte mit seinem eigenen Leben zu verteidigen? Matthias Politickys Essay „Mann gegen Mann“ bietet genügend Zündstoff, um eine solche Debatte zu befeuern.  

Buchkritik Christina von Braun - Geschlecht. Eine persönliche und eine politische Geschichte

"Geschlecht" ist der Titel der Autobiografie, in der die Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun "Eine persönliche und eine politische Geschichte" erzählt. Das Zeugnis einer ungewöhnlichen Karriere zeigt, was mit Beharrungsvermögen und effizienten Netzwerken auch für Frauen möglich ist.
Rezension von Claudia Fuchs.
Ullstein Verlag, 368 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978354910025724

SWR2 lesenswert Kritik SWR2

Buchkritik Mineke Schipper - Mythos Geschlecht. Eine Weltgeschichte weiblicher Macht und Ohnmacht

Von Milchverwandtschaft, Gebärmutterneid und Schöpfungsmythen handelt dieses Sachbuch. Mineke Schipper untersucht, wie sich Geschichten, Kunst und Wissenschaft auf die Wahrnehmung des weiblichen Körpers ausgewirkt haben und unsere Sichtweisen noch heute prägen. Rezension von Lucia Gsell. Aus dem niederländischen von Bärbel Jänicke Klett-Cotta Verlag ISBN 978-3-608-98316-6 351 Seiten 24 Euro

SWR2 lesenswert Kritik SWR2

Buchkritik Jan Morris - Rätsel. Betrachtung einer Wandlung

Hängt das Ich mit dem Geschlecht zusammen? Für Jan Morris schon, sie wurde 1926 als Junge geboren und wagte bereits in den 1970er-Jahren die damals noch wenig erprobte Geschlechtsumwandlung.
Rezension von Carolin Courts.
Aus dem Englischen von Frieda Ellmann
Dörlemann-Verlag, 288 Seiten, 25 Euro
ISBN 9783038200772

SWR2 lesenswert Magazin SWR2

Stand
Autor/in
Andreas Puff- Trojan