Museum am Hotspot der Romantik

„Sehnsucht nach Utopia“: Romantik-Ausstellung im Arp-Museum Bahnhof Rolandseck

Stand

Von Autor/in Henning Hübert

Die Hinwendung zur Natur, zu Gefühlen und Träumen – dafür steht die Romantik. Mit insgesamt 68 Werken widmet sich jetzt das Arp Museum der Malerei und Skulptur aus dieser Epoche. Die Exponate stammen aus dem Zeitraum zwischen 1770 und 1900 und sind allesamt Gegenentwürfe zu Industrialisierung, Landflucht und Selbstentfremdung.

Innigkeit und Innerlichkeit zentral für die Romantik

Sehnsucht nach Utopia
Ein Paar in inniger Umarmung: "Eintracht in der Ehe", 1770, aus der Porzellanmanufaktur Frankenthal

Ein erster Blickfang ist eine Porzellanfigur, entworfen 1765 in Frankenthal: Eine stillende Mutter, umringt von weiteren Kindern. Dahinter hängt das erste Bild der Ausstellung: Mary Cassatts viel jüngeres Pastell „Louise, ihr Kind stillend“. Innigkeit und Innerlichkeit zeigen – für die Romantik ist das zentral.

„Es ist natürlich einerseits ein idealisiertes Familienbild“, sagt Museumsdirektorin Julia Wallner. „Andererseits sehen wir so etwas wie eine Intimität zwischen Mutter und Kind, die ja Mary Cassats Gemälde ganz klar erzählt. Es ist eine echte Stillszene, eine Mutter im intimsten Moment mit ihrem Kind. Und diese Höherbewertung des Individuums und des Verhältnis zueinander, diese Liebesbeziehung, das ist etwas, was die Romantik ganz besonders auszeichnet.

Weiter geht es mit Versuchen, Liebesbeziehungen aufzubauen – auch über Standesgrenzen und andere Hindernisse hinweg. Zentral dabei ist immer das Scheitern. Ob bei den Gemälden von Carl Spitzweg wie „Der abgefangene Liebesbrief“ oder in Darstellungen von Tristan und Isolde. Caspar David Friedrichs Wolfsschlucht-Bild ist nicht direkt zu verorten, sondern ein Höhlen-Traumbild.

Sehsucht nach Utopia
Ein Höhlen-Traumbild: Caspar David Friedrichs "Wölfe im Wald vor einer Höhle, (Wolfsschlucht), ca. 1798/99

Im Arp Museum ist man am Hotspot der Romantik

Ein paar Schritte weiter kommt das Arp Museum dann zu sich selbst und thematisiert seine konkrete unmittelbare Umgebung im Mittelrheintal. Jeder soll mitbekommen: Hier ist man an einem Hotspot der Romantik. Man sieht Bilder zur Siegfriedsage mit dem gegenüber gelegenen Drachenfels. Oder zur Rolandssage mit dem Rolandsbogen nebenan und der Rheininsel Nonnenwerth, direkt unter dem Arp-Museum gelegen. Sie barg einst die vom Ritter angebetete Hildegund.

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Sich in etwas Unerreichbares hineinsteigern, Sehnsucht bis zum Platzen – Julia Wallner warnt vor einer Überidentifikation. Die Rückbesinnung und die Historizität in der Romantik sei oft ein Traumgebilde, meint sie: „Es ist oft ein Blick in eine Vergangenheit, die so nie war.“

Sie sieht darin auch Parallelen zur heutigen Welt – einserseits in restaurativen Bewegungen, die Angst machen könnten, andererseits sieht sie darin eine Gegenbewegung zur einer Überkomplexität der Welt. „Und es ist nicht nur Weltflucht, sondern ich glaube, da ist auch die Hoffnung darin, etwas anders machen zu können", findet Julia Wallner. „Dass man darin aus der Geschichte schöpft, ist ja erst mal ein guter Punkt. Die Frage ist immer, welche Lehren man daraus zieht.“

Sehsucht nach Utopia
Frederik Rohde: Berglandschaft mit Jäger, 1841

Die Romantik bestimmt uns bis heute

Bei der Antwortsuche bleibt man frei. Die Romantik hat Begriffe wie Volk und Boden mit Bedeutung überladen. Wie sich daran im 20. Jahrhundert deutscher Nationalismus und später Nationalsozialismus bedient haben, wird nicht angedeutet. Kuratorin Susanne Blöcker stoppt früher und zeigt, wie subtil bis zum Jahr 1900 die Ideen der Romantik gewirkt haben – etwa auf Bühnenbilder Richard Wagners oder die Sujets des Arme-Leute-Malers Max Liebermann.

„Unsere These ist in dieser Ausstellung mit den drei Kapiteln“ Romantische Liebe“ „Zurück zur Natur“, „Die Träume“ - dass die Romantik uns bis heute bestimmt“, erläutert sie. „Und sie bestimmte auch Wagner, der zur nächsten folgenden Generation gehörte, sie bestimmte sogar Liebermann, einen Impressionisten. Und auch Degas gehört zu denen, die sich von der Romantik noch haben anregen lassen für ihre Träume.“

Sehnsucht nach Utopia
Bühnenbildmodell für die Uraufführung des Parsifal von Richard Wagner, 1882

Das sagt sie, während sie neben dem blütenprächtigen Bühnenbildmodell von Klingsors Zaubergarten aus dem Parsifal Richard Wagners steht. Der träumte sich damit an die italienische Amalfiküste. Das Arp-Museum am Rheinufer von Remagen-Rolandseck kann da - mit der hochkarätigen Ausstellung „Sehnsucht nach Utopia“ - gut mithalten.

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Henning Hübert