Wieso hört man in Deutschland gerne Techno? Und kann man Gesangsintonationen besser hören, wenn man Vietnamesisch spricht? Der Musikpsychologe Daniel Müllensiefen über die Rolle der Muttersprache für musikalische Vorlieben.
Herkunft und Heimat sind in einer globalisierten Welt zu wichtigen Begriffen geworden, die vor allem in der Kultursoziologie verhandelt werden. Je größer die Welt ist, die sich uns eröffnet, desto wichtiger werde die eigene Identität, findet der Musikpsychologe Daniel Müllensiefen von der Universität Hamburg. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf den Musikgeschmack aus?
Musikgeschmack wird durch Herkunft geprägt
Klar ist: Die Herkunft bestimmt den Musikgeschmack. Studien zeigen, dass sich der Musikgeschmack vor allem zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr entwickelt: „Wenn Leute in unterschiedlichen Gegenden, Schichten und zu unterschiedlichen Zeitperioden aufwachsen, sind sie an andere Musikrichtungen gewöhnt“, sagt Müllensiefen.
Daneben präge auch die Muttersprache unser Musikverständnis. Studien legen nahe, dass die Sprache, der man von Kind an ausgesetzt ist, die musikalische Hörfähigkeiten beeinflussen. Das hänge vermutlich mit den unterschiedlichen Eigenschaften zusammen, die die jeweiligen Sprachen haben, so der Musikpsychologe.

Sprachen beeinflussen unser Musikverständnis
Beispielsweise gebe es tonale Sprachen, in denen über die Tonhöhe über Sinn und Semantik vermittelt wird. Beispiele dafür sind Chinesisch, Vietnamesisch und viele afrikanische Sprachen. „Diese Art von verbaler Eigenschaft, die für das Sprachverständnis sehr wichtig ist, schult natürlich auch unser Gehör für ansteigende und fallende Tonhöhen“, so Müllensiefen.
Das werde dann auch auf die Musik übertragen. Muttersprachler von tonalen Sprachen hören eher, ob ein Sänger oder eine Sängerin richtig intoniert oder ob es Schlenker in der Intonation gebe, die vielleicht einen emotionalen Gehalt ausdrücken.
Neben der Musikwahrnehmung beeinflusst die Sprache zu dem auch Kompositionen. Hier verhalte es sich aber eher so, dass die Komponistinnen und Komponisten bewusste Elemente der Sprache nutzen, wie Rhythmen oder Akzente, um sie in ihre Musik einfließen zu lassen.

Wie Sprachmelodien Musik beeinflussen
Die deutsche Sprache sei eine sogenannte „stressed-time-language“, erklärt Musikpsychologe Müllensiefen. Im Deutschen bestehen also ungefähr gleiche zeitliche Abstände zwischen den betonten Silben. „Ein relativ gleichmäßiger Puls ist etwas, auf das wir in der Sprache achten, was wir erwarten und was dem Verständnis hilft.“
Dieser Puls lasse sich auch in der Musik finden. Müllensiefen spekuliert, dass es vermutlich kein Zufall sei, dass Techno oder der 4/4-Takt in deutscher Musik sehr prominent sei. Denn diese Musik liege dem deutschen Sprachrhythmus sehr nahe.
Fakt ab! Eine Woche Wissenschaft Deswegen ist deine Muttersprache wichtig für dein Musikverständnis
Diese Woche mit Aeneas Rooch und Julia Nestlen.
Ihre Themen sind:
- Unsere Muttersprache beeinflusst unsere Musikalität (02:45)
- Steinzeitmenschen aßen vorverdaute Nahrung (13:16)
- Von 3D-Legoblöcken zu 3D-Bioblöcken: Dieser neue 3D-Biodrucker wird aus Legosteinen gebaut (21:35)
Weitere Infos und Studien:
Der Musikalitätstest: https://www.themusiclab.org/quizzes/miq
Der Lego-3D-Biodrucker im Video: https://www.youtube.com/watch?v=0i3WqusoWMI
Language experience predicts music processing in a half-million speakers of fifty-four languages: https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(23)00387-1
Human consumption of large herbivore digesta and its implications for foraging theory: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/evan.21979
Development and Evaluation of a Low-Cost LEGO 3D Bioprinter: From Building-Blocks to Building Blocks of Life: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/admt.202100868
Habt ihr auch Nerd-Facts und schlechte Witze für uns?
Schreibt uns bei WhatsApp oder schickt eine Sprachnachricht: 0174/4321508
Oder per E-Mail: [email protected]
Oder direkt auf http://swr.li/faktab
Instagram:
@julianistin
@sinologin
@aeneasrooch
Redaktion: Charlotte Grieser und Chris Eckardt
Idee: Christoph König
Forum Immer auf's Ohr – Was bewirkt die Dauerberieselung?
Hans-Jürgen Mende diskutiert mit
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Roland Laszig, HNO-Arzt und langjähriger Direktor der HNO-Uniklinik Freiburg
Prof. Dr. phil. Günther Rötter, Musikwissenschaftler und Musikpsychologe
Julia Scharnhorst, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin