Klimawandel

Earth Day 2025: Süddeutschland könnte bald wie Südfrankreich aussehen

Stand

Von Autor/in Helen Roth

Der Earth Day 2025 stellt die Frage nach dem individuellen Beitrag zur Veränderung. Ein aktuelles Forschungsprojekt aus Rheinland-Pfalz zeigt, wie konkret der Klimawandel bereits kartierbar ist: Sogenannte Klimazwillinge veranschaulichen, welchen Städten in Zukunft mediterrane Bedingungen bevorstehen könnten.

Der Earth Day 2025 steht unter dem Motto „Du machst den Unterschied“. Die dahinterstehende Initiative ruft dazu auf, Veränderung nicht nur einzufordern, sondern aktiv mitzugestalten. Passend dazu zeigt der aktuelle Klimabericht des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus: Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent.

2023 war laut Bericht das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, begleitet von einer zunehmenden Häufung extremer Wetterereignisse wie Dürren, Starkregen und Hitzewellen. Auch Deutschland ist davon spürbar betroffen – und auf regionaler Ebene beginnt sich abzuzeichnen, was das konkret bedeuten könnte.

Wie funktioniert das Konzept der „Klimazwillinge“?

Forschende der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau haben sogenannte „Klimazwillinge“ für mehrere Städte in Rheinland-Pfalz berechnet. Die Idee: Wenn sich die globale Erderwärmung auf dem derzeitigen Pfad fortsetzt, werden bestimmte Regionen künftig klimatischen Bedingungen ausgesetzt sein, die heute bereits in anderen Teilen Europas herrschen.

Dabei vergleichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zentrale Klimadaten – etwa Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeiten und Oberflächentemperaturen – mit denen anderer europäischer Städte.

Die Datengrundlage stammt aus einem Klimaszenario, das davon ausgeht, dass keine oder nur sehr geringe Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. In diesem Modell werden die heutigen klimatischen Zustände der sogenannten Zwillingsstädte auf das Jahr 2075 übertragen. Der Begriff „Klimazwilling“ dient dabei als anschauliches Werkzeug, um die abstrakte Klimaentwicklung greifbar zu machen.

Klimazwillinge in Rheinland-Pfalz: Diese Städte könnten sich drastisch verändern

Nach diesen Berechnungen würde etwa Koblenz in 50 Jahren klimatisch Orthez ähneln, einer südwestfranzösischen Stadt nahe der spanischen Grenze. Mainz nähert sich den Bedingungen von Gaillac, Trier denen von Brive-la-Gaillarde. Kaiserslautern bekäme das Klima der nordspanischen Stadt Calatayud, Ludwigshafen das der italienischen Stadt Terni.

All diese Orte zeichnen sich durch wärmere, trockenere Sommer und mildere Winter aus. Vegetation und Stadtstruktur reagieren bereits heute sichtbar auf diese Bedingungen – in Terni etwa trocknete der Fluss Nera im Jahr 2012 vollständig aus.

Die Technische Universität Kaiserslautern-Landau hat Klimazwillinge für fünf rheinland-pfälzische Städte berechnet
Die norspanische Stadt Calatayud wurde als Klimazwilling von Kaiserslautern berechnet.

Einblicke in die Stadtforschung

Für Stadtklimatologe Sascha Henninger von der Rheinland-Pfälzischen Technische Universität Kaiserslautern-Landau kann die Visualisierung durch Klimazwillinge kommunalen Entscheidungsträgern helfen, langfristige Strategien zu entwickeln.

„Der Klimazwilling kann eine Hilfe sein, um politischen Entscheidungsträgern ein Gefühl dafür zu geben, zu visualisieren – wo wandern wir hin, worauf müssen wir uns einrichten?“, so Henninger gegenüber SWR Aktuell. Die Methode soll den Transfer von Erkenntnissen in die Stadtplanung erleichtern, etwa im Hinblick auf Baustrukturen oder Begrünungskonzepte.

Städte in Rheinland-Pfalz passen sich dem Klimawandel an

Trier erprobt bereits neue Ansätze. Der Alleenring – eine der grünen Hauptachsen der Stadt – soll für die klimatischen Herausforderungen der Zukunft umgestaltet werden. Alte Baumarten wie Ahorn werden durch trockenresistentere wie Esskastanie oder Tulpenbaum ersetzt, Wege werden entsiegelt, Wasser soll besser gespeichert werden können.

Auch in der Altstadt der marokkanischen Partnerstadt Tétouan hat die Klimaschutzmanagerin Julia Hollweg wertvolle Anregungen gesammelt: Mit Pflanzensegeln über engen Gassen werde dort für kühlenden Schatten gesorgt – ein Ansatz, der auch in Rheinland-Pfalz denkbar wäre.

Kritik am Modell der Klimazwillinge: Wie verlässlich sind die Prognosen?

Das Modell der Klimazwillinge ist unter Fachleuten nicht unumstritten. Monika Runkel, Leiterin des Waldbildungszentrums Rheinland-Pfalz, betont gegenüber SWR Aktuell, dass Extremwetterereignisse nicht linear verlaufen: „Es ist nicht so, dass es einfach nur ein paar Grad wärmer wird und weniger regnet – aber diese extremen Witterungen werden mehr.“

Daher könne nicht automatisch auf mediterrane Gewächse gesetzt werden. Bodenfröste und Kälteeinbrüche seien weiterhin möglich, was etwa Zitronen oder Oleander an ihre Grenzen bringen dürfte.

Wissenschaft als Entscheidungshilfe

Trotz methodischer Einschränkungen liefern die Klimazwillinge wertvolle Denkanstöße. Sie helfen dabei, den abstrakten Klimawandel mit konkreten Veränderungen in Verbindung zu bringen.

Im Kontext des „Earth Day“ ermöglichen sie es, den Wandel auf lokaler Ebene greifbarer zu machen – als Grundlage für die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit einem der drängendsten Themen unserer Zeit.

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