Internationaler Tag zur Abschaffung der Tierversuche

Wie geht es ohne Tierversuche? Forschungen an der Uni Tübingen mit Alternativen

Stand

Von Autor/in Ingemar Koerner

Eingesperrte Affen, misshandelte Ratten - Tierversuche haben einen denkbar schlechten Ruf. Tierschützer prangern sie immer wieder an. Wissenschaftler arbeiten aber an Alternativen.

Der 24. April ist der internationale Tag zur Abschaffung der Tierversuche. Ein Ziel, das nicht nur Tierschützern gefällt, sondern auch der Wissenschaft selbst. Bei einigen Forschungsprojekten seien Tierversuche allerdings unverzichtbar, heißt es immer noch aus manchen Laboren. Dem widersprechen Tierschützer - und einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenfalls. Denn erste Schritte in diese Richtung sind erfolgsversprechend.

Universität Tübingen forscht an Alternativen zu Tierversuchen

An der Universität Tübingen forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Alternativen zu Versuchen an Tieren. Besonders erfolgreich sind Peter Loskill und Silke Riegger. Sie bekamen im vergangenen Jahr den Händel-Tierschutzpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Mit einem von ihnen entwickelten System soll es künftig weniger Tierversuche geben.

Die Forscher haben sogenannte Organ-on-Chip-Systeme als Alternative zu Tierversuchen entwickelt. Dabei werden Gewebe aus menschlichen Stammzellen auf Kunststoffplatten sensorisch verbunden. Somit entstehen Gewebe-Modelle, die die Eigenschaften von tierischen Organen simulieren können. Statt an Labormäusen kann man so an nachgestellten kleinen Organen auf Chips arbeiten. Ziel sei eine Forschung, die dem 3R- Prinzip zuträglich ist.

Das Organ-on-Chip-System ist eine Alternative zu Tierversuchen, die von Tübinger Forschern stammt.: Hier werden Zellgewebe auf einem Chip sensorisch gesteuert. Die Gewebe-Modelle nehmen die Eigenschaften von tierischen Organen an und können Versuchstiere ersetzen.
Organ-on-Chip-System: Hier werden Zellgewebe auf einem Chip sensorisch gesteuert. Die Gewebe-Modelle nehmen die Eigenschaften von tierischen Organen an und können Versuchstiere ersetzen.

Großer Skandal mit Versuchen an Affen in Tübingen

Tübingen ist ein besonderer Ort, was die Forschung an Alternativen zu Tierversuchen betrifft. In der Unistadt begann einer der größten Skandale um Tierversuche der vergangenen Jahre. 2014 hatte Stern TV Aufnahmen eines Aktivisten vom Verein Soko Tierschutz aus dem Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik veröffentlicht. Der Verdacht: In einer Forschungsgruppe könnten Affen gequält worden sein.

Der Direktor der Abteilung, Nikos Logothetis, war für seine Forschung am Affengehirn lange als Nobelpreiskandidat gehandelt worden. Nach der Veröffentlichung der Bilder schlugen nicht nur Tierschützerinnen und Tierschützer Alarm. Seine Arbeit wurde überprüft, ein Strafverfahren eröffnet. Dieses endete schließlich mit der Einstellung des Verfahrens - ohne Verurteilung.

Ein Wärter führt einen Affen mit einer Stange aus seinem Käfig. Die Bilder aus dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen wurden 2014 veröffentlicht.
Solche und weitere Bilder aus dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen wurden 2014 veröffentlicht. Sie haben dann große Wellen geschlagen.

Trotzdem: Der Schaden war angerichtet. Der Protest war groß und dauerte lange an. Logothetis wurde beleidigt und angegriffen. Er hörte auf, mit Affen zu forschen. Auch das MPI in Tübingen stellte Versuche mit Affen ein. "Aktuell forschen wir an Zebrabärblingen und Ratten sowie in naher Zukunft auch an Mäusen", teilte das MPI in Tübingen auf SWR-Anfrage mit.

Uni Tübingen setzt noch Affen ein

Die Universität dagegen setzt noch Affen in Tierversuchen ein. Mehrere Arbeitsgruppen verwenden "in ihren Experimenten derzeit Mäuse, Ratten, Zebrafische und eine niedrig zweistellige Zahl Exemplare zweier Primatenspezies: Rhesusaffen und Weißbüschelaffen." Das bestätigte ein Sprecher der Universität dem SWR.

Doch die Zahlen zu Tierversuchen sinken auch an der Uni Tübingen konstant. Von 2018 bis 2023 sind sowohl die Projekte mit Versuchstieren als auch die getöteten Wirbeltiere gesunken. Das geht aus Zahlen hervor, die die Universität selbst veröffentlicht hat. Waren es 2018 noch 30.775 Wirbeltiere, die getötet wurden, waren es 2023 knapp 18.000.

Christiane Nüsslein-Volhard: Nobelpreis für Forschung mit Tierversuchen

1995 war die Lage noch eine andere. Die Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard bekam den Nobelpreis in Medizin. Sie war die erste deutsche Frau, die diesen Preis erhielt. In ihrer Forschung setzte sie Drosophila Melanogaster ein - die Tau- oder Fruchtfliege. Sie wurde "Herrin der Fliegen" genannt. Statt protestiert, wurde in Tübingen damals gefeiert.

Ein Ausschnitt aus Landesschau Aktuell aus dem Jahr 1995. Die Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard erhielt den Medizin-Nobelpreis.
Die Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard erhielt den Medizin-Nobelpreis für ihre Forschung an Fruchtfliegen.

Jetzt, 30 Jahre später, wollen viele Forscherinnen und Forscher versuchen, ohne Tierversuche auszukommen - gerade auch in Tübingen, wie aktuelle Arbeiten zeigen. Und die neuesten technischen Möglichkeiten machen schon einiges möglich. Insofern könnten Tierschützer am Tag zur Abschaffung der Tierversuche zumindest ein klein wenig feiern.

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