Nach dem Unfall eines Güterzugs im Gotthardtunnel vor rund zwei Jahren war eine Tunnelröhre über mehrere Monate lang gesperrt. Damit so etwas nicht mehr passiert, ziehen die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) jetzt Konsequenzen. Die SBB will sich schrittweise vom bisherigen Bremssystem bei Güterwagen trennen und Züge sollen intensiver kontrolliert werden. Im Abschlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) steht aber auch, dass Europa jetzt handeln muss.
Abschlussbericht: Güterzug wurde in Faido auseindergerissen
Die Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) beschreibt in ihrem 100-Seiten starken Abschlussbericht detailliert was im August 2023 passiert ist und analysiert den Unfall. Demnach kam der Güterzug mit 30 Wagen aus Italien und fuhr in die Weströhre Richtung Basel. Nach zehn Kilometern brach eine Radscheibe von Wagen elf des Güterzugs. Der Lokführer bemerkte davon zunächst nichts. Bei der Spurwechselstelle in Faido (Tessin, Schweiz) wurde der Zug dann auseinandergerissen. Der vordere Teil fuhr weiter, der hintere krachte schließlich gegen eine Wand der Tunnelröhre. Die Unfallursache war also ein tiefer Riss in einem Rad, der trotz Kontrollen unentdeckt blieb.

Schweizer ziehen Bremstyp aus dem Verkehr
Risse in Rädern seien kein Einzelfall, sondern ein systematisches Problem, meint Philippe Thürler, Bereichsleiter "Bahn" bei Sust. Auch in anderen Rädern des entgleisten Wagens elf habe man später bei den Untersuchungen Risse entdeckt.
Uns ist einfach das Risiko zu hoch.
Dem Bericht zufolge ist das Problem, das zum Riss führte, das Material des Bremssystems: lärmarme Bremssohlen des Typs LL aus Kunststoff. Auch die deutsche DB Cargo setzt diesen Bremstyp ein. Die rund 60.000 Güterwagen von DB Cargo seien zum überwiegenden Teil mit LL-Bremssohlen ausgerüstet, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn im Februar. Die SBB will die Güterwagen mit solchen Bremstypen jetzt aus dem Verkehr ziehen. Das Risiko sei einfach zu hoch, heißt es. Betroffen ist jeder fünfte von der SBB Cargo eingesetzte Wagen.

Schweizer fordern mehr Kontrollen an Rädern und Bremsen
Um Unfälle wie am Gotthard zu verhindern, fordert die Sust mehr Kontrollen an Rädern, an Bremsen und an deren Material. Das sei der richtige Ansatz, meint auch Michael Müller vom Schweizer Bundesamt für Verkehr. In Europa gibt es rund 600.000 Waggons, die Güter über die Schienen transportieren. Deshalb müsse man das auch international anschauen, so Müller.
Die SBB hat unterdessen einen weiteren Vorstoß im schweizerischen Parlament gestartet: Indem Eigentümer von Wagen künftig an den Kosten von Unfällen beteiligt werden, möchte man einen wirtschaftlichen Anreiz schaffen. Dann werde mehr auf die Sicherheit geachtet, meint die SBB. Die Europäische Eisenbahnagentur hat bisher nicht gehandelt. Dabei kann das Problem nur grenzüberschreitend gelöst werden.
Welche Folgen hatte der Unfall im Gotthard-Basistunnel?
Der Unfall im Gotthard-Basistunnel am 10. August 2023 hatte gravierende Folgen: eine Tunnelröhre war ein Jahr lang gesperrt. Es entstanden Schäden an Infrastruktur und Güterwagen in Höhe von rund 150 Millionen Franken. Verletzt wurde niemand. Allein die Bergung der Fahrzeuge hat 42 Tage gedauert. Während der Komplettsperrung des Gotthard-Basistunnels wurden alle Züge über die Gotthard-Bergstrecke umgeleitet. Die Fahrzeiten verlängerten sich erheblich. Erst am 2. September 2024, also über ein Jahr später, erfolgte die komplette Wiederinbetriebnahme des Tunnels.
Über den Abschlussbericht des Güterzugunfalls von 2023 berichtete die Sendung "Dreiland Aktuell" am 07.06.2025, 18 Uhr, in SWR Aktuell Baden-Württemberg.