Bundesweite Razzien - Durchsuchungen auch im Rems-Murr-Kreis

"Reichsbürger"-Gruppe "Königreich Deutschland" verboten: So tief ist die Strömung in BW verankert

Stand

Das Bundesinnenministerium hat die Gruppe "Königreich Deutschland" verboten. Am Dienstagmorgen führte die Polizei bundesweit Durchsuchungen durch - auch in BW.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat eine Gruppe sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter verboten, die sich "Königreich Deutschland" nennt. Nach Angaben des Innenministeriums durchsuchen Einsatzkräfte der Polizei seit den frühen Morgenstunden von dem Verein genutzte Gebäude sowie Wohnungen führender Mitglieder in sieben Bundesländern - auch in Baden-Württemberg.

Der Anführer der Gruppe, Peter Fitzek, der sich selbst zum König ernannt hatte, wurde im sächsischen Halsbrücke festgenommen. Gegen ihn gibt es seit mehreren Wochen einen Haftbefehl, der vollstreckt wurde. Inzwischen ist Fitzek in Untersuchungshaft, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.

"Königreich Deutschland": Durchsuchungen in BW

Laut Landesinnenministerium durchsuchten Einsatzkräfte das Wohngebäude einer Führungsperson des verbotenen Vereins im Regierungsbezirk Stuttgart. Nach SWR-Informationen geht es um ein Anwesen in Mainhardt (Kreis Schwäbisch Hall). Die Aktion verlief offenbar sehr zügig, heißt es.

Mainhardt

"Reichsbürger"-Szene im Visier Razzia zu "Königreich Deutschland": Polizei wollte Anwesen in Mainhardt durchsuchen

Nach dem Verbot der Vereinigung "Königreich Deutschland" hat es auch eine Razzia in Mainhardt gegeben. Spezialkräfte der Polizei wollten ein Haus im Teilort Bubenorbis durchsuchen.

SWR4 am Nachmittag SWR4

BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Maßnahme als Zeichen einer wehrhaften Demokratie. "Das konsequente Vorgehen mit vereinten Kräften in sieben Ländern gegen fiktive Schattenstaaten wie dem 'Königreich Deutschland' zeigt deutlich, dass wir entschlossen gegen Reichsbürger vorgehen", so Strobl.

SPD-Verfassungsschutz-Experte: "Reichsbürger sind nicht nur Spinner"

Der SPD-Verfassungsschutz-Experte der SPD-Landtagsfraktion, Boris Weirauch, begrüßte das Verbot der Vereinigung. "Die sogenannten Reichsbürger sind nicht einfach nur irgendwelche Spinner, sondern sie unterlaufen seit Jahren den Staat, indem sie einen 'Gegenstaat' zur Bundesrepublik schaffen wollen", so Weirauch in einer Mitteilung. Das Verbot von Bundesinnenminister Dobrindt sei konsequent und unterstreiche die besondere Gefährlichkeit dieser Gruppierung.

"Königreich Deutschland": So schätzt der BW-Verfassungsschutz die Gruppe ein

"Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg verfolgen der Reichsbürgerverein "Königreich Deutschland" und seine Teilorganisationen langfristig die Ersetzung der rechtsstaatlichen Ordnung durch eine eigene, fiktive Struktur", hieß es in einer Mitteilung des BW-Innenministeriums.

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg bezeichnete das "Königreich Deutschland" in seinem Bericht 2023 als die zwischenzeitlich bedeutendste Gruppierung des "Selbstverwalter"-Milieus im Land. Man gehe derzeit von einer dreistelligen Zahl an Unterstützern in Baden-Württemberg aus. Insgesamt gehen die Ermittler von rund 4.000 Anhängern der sogenannten Reichsbürger in Baden-Württemberg aus. Davon schätzt der Verfassungsschutz allein im Regierungsbezirk Stuttgart die Zahl von sogenannten Selbstverwaltern auf 1.350 bis 1.400.

Auch Unternehmen unter den Anhängern des "Reichsbürger"-Vereins

Die Anhängerschaft organisiert sich demnach in Regionalgruppen, unter anderem im Raum Stuttgart, Heilbronn/Schwäbisch Hall, Ulm, Freiburg/Südbaden und Bodensee. Es hätten zahlreiche Vortragsveranstaltungen stattgefunden. Mitglieder des Vereins propagieren einen "Systemausstieg"und werben mit Steuerfreiheit sowie Investitionsmöglichkeiten in den Fantasiestaat - gezielt auch gegenüber Unternehmen.

Über ganz Baden-Württemberg verteilt bekennen sich laut dem BW-Verfassungsschutz rund 20 kleinere und mittelständische Unternehmen, vom Malerbetrieb bis zum Bestattungsunternehmen, offen dazu, "Betriebe im KRD (Anm. d. Red.: "Königreich Deutschland")" zu sein. Aushängen vor Ort oder dem jeweiligen Impressum der Firmeninternetseite sei zu entnehmen, dass jeder Kunde des Unternehmens "für die Dauer der Geschäftsbeziehung temporäres Mitglied des KRD" werde, schrieb der Verfassungsschutz. 

Rems-Murr-Kreis wohl als Schwerpunkt des "Königreich Deutschland"

Neben dem Kreis Schwäbisch Hall scheint sich den Informationen des BW-Verfassungsschutzes nach im Rems-Murr-Kreis ein kleiner Schwerpunkt herausgebildet zu haben. Hier hat die Initiative "Leucht-Turm" in den vergangenen eineinhalb Jahren Seminare und familien- und naturnahe Treffen veranstaltet beziehungsweise das immer wieder versucht. Ziel war wohl, Menschen für das "Königreich Deutschland" zu rekrutieren und alternative Gemeinschaften zu bilden.

Auch wurden offenbar gezielt Unternehmer und Kooperationspartner für autarke Strukturen von "Leucht-Turm" gesucht. Unter dem Motto "Reden hast du satt?" wurden Interessierte zum Handeln aufgefordert, die sich - Zitat - "nicht mehr im bestehenden destruktiven System-Hamsterrad prostituieren" wollen. Inwiefern Akteure und Interessierte aber auch dem extremistischen Spektrum zuzuordnen sind – darüber gibt es keine Erkenntnisse.

Einzelne Menschen, die sich der "Reichsbürger"-Szene im Rems-Murr-Kreis zuordnen, sollen aber gute Kontakte in rechtsradikale Szenen und zur rechten Partei "Der III. Weg" pflegen. Darüber berichtete beispielsweise die "Waiblinger Zeitung" mehrfach.

"Gemeinwohlkasse": Bank der Reichsbürger-Szene in Ulm

In der Ulmer Innenstadt hatte der jetzt verbotene Fantasiestaat im Herbst 2020 eine Filiale der sogenannten Gemeinwohlkasse (GK) eröffnet. Bei der Filialeröffnung in Ulm war auch Peter Fitzek dabei. Die GK firmierte als Initiative des "Königreichs Deutschland". Für das angebliche Geld- und Renteninstitut lag nach Auskunft der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) allerdings keine Erlaubnis vor. Sie schritt ein und untersagte das Geschäft. Das Verbot beeindruckte die Kasse jedoch nicht. Die Filiale in Ulm gibt es inzwischen nicht mehr, der Vermieter hatte den Mietvertrag gekündigt.

Online wirbt die "Gemeinwohlkasse" auch heute noch um Kontoeröffnungen. Das Angebot richte sich nur an "Zugehörige und Staatsangehörige des Königreich Deutschlands", heißt es in den Nutzungsbedingungen.

Razzia im "Reichsbürger"-Milieu in BW im Oktober 2023

Erst im Oktober 2023 hatte es in mehreren Bundesländern eine Razzia im "Reichsbürger"-Milieu gegeben. Es wurden Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder und Unterstützer der "Reichsbürger"-Terrorgruppe "Vereinte Patrioten" durchsucht, auch zwei in Baden-Württemberg.

Nach Informationen des Zeitungsverlags Waiblingen war einer der Verdächtigen ein Mann, der der "Querdenken"-Szene in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) zuzuordnen sei. Die "Vereinten Patrioten" sollen Anschläge auf die Stromversorgung in Deutschland und eine Entführung des damaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant haben.

Mainhardt

"Reichsbürger"-Szene im Visier Razzia zu "Königreich Deutschland": Polizei wollte Anwesen in Mainhardt durchsuchen

Nach dem Verbot der Vereinigung "Königreich Deutschland" hat es auch eine Razzia in Mainhardt gegeben. Spezialkräfte der Polizei wollten ein Haus im Teilort Bubenorbis durchsuchen.

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Wemding

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Bei einem Polizeieinsatz beim "Reichsbürger"-Treffen im bayerischen Wemding ist eine Frau festgenommen worden. Gegen einen Mann wird nach einem Angriff auf einen Journalisten ermittelt.

Stuttgart

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Am 29. April 2024 begann einer der drei "Reichsbürger"-Prozesse in Stuttgart. Es geht um Hochverrat und eine terroristische Vereinigung. Zwei Angeklagte kommen aus Ettlingen und Pforzheim.

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